Freundes- und Förderkreis des Georg-Meistermann-Museum in Wittlich

Georg Meistermann (1911-1990)

Georg Meistermanns führende Bedeutung in der internationalen Kunstgeschichte der Glasmalerei ist unumstritten. Hinsichtlich der Kunst des 20. Jahrhunderts gilt er weltweit als herausragender Glasmaler.

 

Für die Zeit nach 1945 hat er wie kein anderer die Entwicklungen und Leistungen der Glaskunst geprägt. In den USA spricht man vom „german-Meistermann-style“ und in Frankreich nennt man ihn schlicht den „maìtre de cologne“.

 

Jedoch nicht nur in der gläsernen Kunst, sondern ebenso in der Malerei, Zeichnung und Druckgraphik hat sich Meistermann einen großen Namen gemacht. Ihm und seinem Schaffen ist es mit zu verdanken, dass Deutschland nach dem 2.Weltkrieg wieder Anschluss an die internationale Kunstentwicklung gefunden hat.

 

Dazu kommen seine Verdienste als langjähriger Künstlerbundpräsident und seine viel beachteten wie gefürchteten, wirkungsmächtigen Diskussionsbeiträge als Intellektueller, Kritiker und Streiter in Sachen Kunst, Kultur, Kirche, Menschen-Bild, Gesellschaft und Politik.

Georg Meistermann, 1985 - © J.M. Calleen
Georg Meistermann, 1985
© J.M. Calleen

Noch „vor Joseph Beuys und Klaus Staeck“ zählt der 1911 in Solingen geborene und seit 1949 in Köln lebende Künstler, so der führende deutsche Kunstkritiker Eduard Beaucamp von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „zum raren Potential an Widerspruchsgeist, streitbaren, ja zornigen Moralismus in der deutschen Nachkriegskunst“. Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin würdigte anlässlich der Wittlicher Meistermann-Gedächtnisausstellung 2001 den Künstler mit den Worten: „...wird uns Meistermann im Gedächtnis bleiben. Ihm und seinem Werk weiß sich die Bundesrepublik Deutschland zu Dank verpflichtet.“

Mehrere Städte und Museen hatten noch zu Lebzeiten von Meistermann ihr Interesse an seinem künstlerischen Nachlass angemeldet. Er jedoch hatte alle anderen Angebote abgelehnt und nur das des Wittlicher Bürgermeisters Helmut Hagedorn angenommen. Und das mit größter Überzeugung, Hingabe und Liebe.

 

Meistermann „hing“ nicht nur wegen der jahrzehntelangen guten Erfahrungen „an Wittlich“, sondern er liebte diese überaus aufgeschlossene kunst- und kultursinnige Stadt, wie er sie unter den mutigen Bürgermeistern Matthias Josef Mehs (1946-1953) und ganz besonders unter Helmut Hagedorn (1982-2001) kennen und schätzen gelernt hat.

Georg Meistermann mit Gattin Edeltrud Meistermann-Seeger - © J.M. Calleen

Georg Meistermann mit Gattin
Edeltrud Meistermann-Seeger
© J.M. Calleen

Georg Meistermann hatte die Eröffnung „seines“ Museums nicht mehr miterleben können. Das war nur seiner Frau, der Kölner Psychoanalytikerin Prof. Dr. Edeltrud Meistermann, vergönnt. Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes hatte sie 1992 der Stadt Wittlich und der „Stiftung Stadt Wittlich“ die heute ausgestellte, kostbare Schenkung vermacht und damit den Herzenswunsch ihres Gatten erfüllt. Zu diesem Vermächtnis gehören zahlreiche Druckgraphiken, Kartons (=originale Fensterentwürfe im Maßstab 1:1), Bronzeplastiken und Ölbilder. 1994 erfolgte schließlich die festliche Eröffnung des „Georg-Meistermann-Museums“ durch Edeltrud Meistermann und Helmut Hagedorn unter großer Anteilnahme der Wittlicher Bevölkerung.

In seiner Grußbotschaft schrieb der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck 2001 zum 90. Geburtstag von Meistermann: „... hat die Stadt Wittlich die große Chance dieser Schenkung erkannt und aus dem alten Rathaus ein Glanzstück gemacht, das weit über die Grenzen unseres Landes hinaus strahlt“.

 

Inzwischen ist das Georg Meistermann-Museum, dank der seit Anfang 2000 professionalisierten Museumsarbeit, zu einem ausstrahlungsintensiven, kulturellen „Leuchtturm“ von großer überregionaler Wirkung geworden.

 

„Das Leben des Menschen ist eingehüllt in Farbe.“ So lautet die zentrale künstlerische und kunstphilosophische Erkenntnis von Meistermann. Dieser Grundsatz war gleichzeitig sein künstlerisches Programm. Die Farben mischt sich der Mensch selbst; das Licht hingegen kommt von Gott. Erst das Licht bringt die Farben zum Leben. Das Leuchten der Farben gebiert sich aus dem dialogischen Kräfte-Zusammenspiel von Gott und Mensch.

Georg Meistermann, Der Schwebende Punkt, 1969, Öl auf Leinwand, 25 x 25 cm -  Foto: Helmut Thewalt

Georg Meistermann:
Der Schwebende Punkt, 1969,
Öl auf Leinwand, 25 x 25 cm
Foto: Helmut Thewalt

Meistermanns Kunst ist ohne seine tief religiöse, christliche Identität nicht zu verstehen. In all seiner Sinnlichkeit und Leidenschaft war er ein überzeugter rheinländischer Katholik. Das heißt: gegen jede dogmatische Ideologie und für eine schöpferische Lebensfreude, die von Phantasie, Liebe und Spiritualität durchdrungen war. Sein heiß beseelter Glaube an Gott ließ ihn angesichts der Realitäten und der Praxis der Amts-Kirche oft verzweifeln. Mit ebenso hoch temperiertem, heftigen Zorn stellte er unmissverständlich klar: „Ich mache Propaganda für den christlichen Glauben, ich mache ganz sicher keine Propaganda für die Kirche“. Glasmalerei ist, um überhaupt als solche existieren zu können, auf die mit Glas zu gestaltenden Wirkunskräfte des durchdringenden Gegen-Lichtes – und nicht die des reflektierenden Auf-Lichtes – angewiesen. Dazu kommen die kategorialen Grundlagen der Malerei: Punkt, Linie, Fläche, unbunte und bunte Farben.

 

Arbeitstechnisch gesehen handelt es sich bei der Glasmalerei einerseits um einen primär musivischen Prozess des Malens mit (nicht: auf!) Glas und andererseits um ein Malen gegen (nicht: mit!) das Licht.

 

Gerade diese beiden künstlerischen Ansätze beschreiben die grundsätzlichen Unterschiede zur Tafel-, Wand- und sonstigen Material-Malerei. Nur am Rande sei angemerkt, dass der Glasmaler bei der gitterartigen Bleiruten- und netzwerkähnlichen Linienführung über ausgewiesene zeichnerische Fähigkeiten verfügen muss. Aber welcher Maler kommt schon ohne zeichnerisches Können aus? So überzeugen vor allem die Glaskünstler, die glasmalerisches und glaszeichnerisches Arbeiten und Denken miteinander vereinen. Dennoch trennt sich hier schnell die Spreu vom Weizen. Viele Glasmalereien verkommen all zu häufig zu handwerklich erstarrten, geschwätzig illustrativen Behübschungen.

 

In der Glasmalerei ist zwischen den architekturbezogenen, immobilen und den ortsunabhängigen, mobilen Werken zu unterscheiden. Bei den fest eingebauten Werken handelt es sich in der Regel um Auftragsarbeiten für den öffentlichen profanen oder kirchlichen Raum. Frei bewegliche Arbeiten hingegen sind meistens ohne direkten Auftrag oder Architekturbezug entstanden, fallen in ihren Maßen wesentlich kleiner aus und sind in ihren Ausführungen themen- und ortsunabhängiger. Abgesehen davon werden sie seltener, weil zu arbeits- und kostenintensiv, hergestellt.

Georg Meistermann, Gnadenstromfenster, 1969, 187 x 104 cm, Städtische Galerie für Moderne Kunst Wittlich -  Foto: Helmut Thewalt

Georg Meistermann, Gnadenstromfenster, 1969,
Städtische Galerie für Moderne Kunst Wittlich
Foto: Helmut Thewalt

Die besonderen Schwierigkeiten in der architektur- und auftragsbezogenen Glaskunst ergeben sich äußerst schnell in der Bewahrung der eigenen künstlerischen Freiheiten gegenüber den Auftragsgebern sowie in der Fähigkeit, künstlerisch und inhaltlich zu einer aufeinander abgestimmten, überzeugenden, ortsbezogenen Lösung zu gelangen.


Dazu gehören neben den zu bewältigenden architektonischen Raum- und Licht-Vorgaben die jahreszeitlich und witterungsbedingten wechselnden Lichtverhältnisse und vor allem die kongeniale Auseinandersetzung mit der individuellen, spirituellen Aura des Ortes.

 

Das zentrale Motiv in der Kunst von Meistermann ist das Raum und Zeit überwindende Schweben der Farbe und Bild-Figur, das regenbogenhaft angelegte Spektrum des Kolorites und der energetische Strich der kraftfeldartigen Liniengebilde. Malerisch dynamische und linear konstruktive Elemente durchdringen einander und stehen in einer subtil austarierten Balance.

 

Dabei werden sowohl gegenständliche als auch ungegenständliche Bildmotive verwendet. Je nach Themenstellung dominieren historische, literarische Figuren oder abstrakte, chiffrenhafte Gewebeformationen das im ständigen Fluss befindliche bildnerische Geschehen.

 

Gerade die zuletzt genannten Erscheinungsformen versuchen den gerahmten, umschlossenen Bildraum imaginär mit unter anderem määnder- oder strahlengleichen Bewegungsimpulsen ins Unendliche zu überwinden, zu öffnen und zu übersteigen.

 

Die Imagination des Nicht-Darstellbaren, das Geheimnis des Unaussprechlichen und eine vage verspürbare Transzendenz verschmelzen in seinen Werken mit jubilierenden Formen, Farben und Tönen zeichenhaft ineinander.

 

Die Fenster Meistermanns werden nicht nur durch ein fernes Licht illuminiert, sondern sie wirken auch umgekehrt wie ein „Fern-Seher“, der unsere Sinne mit neuen „Licht-Blicken“ in eine unbekannte weite Ferne lenken will.

 

(Dr. J. M. Calleen)

Georg Meistermann, Vierter Apokalyptischer Reiter
– Der Tod, 1954,
Städtische Galerie für Moderne Kunst Wittlich
Foto: Helmut Thewalt

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Georg Meistermann über die Kunst:

„... Kunst kommt nicht von können, sondern von künden.“
„... Jeder Mensch hat eine Botschaft zu verkünden. Meine Botschaft ist: Der Mensch ist angelegt auf das Heil.“
„... Was soll ich denn mit dem Motto: ‚Ich muss meditieren‘? Ich meditiere über die Fülle. Das ist `ne andere Sache.“
„... Unterschied zur Malerei. Wenn ich ein Bild beginne, dann reagiere ich nicht, ich agiere.
„... Wenn ich aber ein Fenster anfange, habe ich bereits eine Reaktion: ich entgegne den sich mir stellenden Fragen.“
„... Die Farbe ist eine in sich vollendete Sprache. Sie ist durch keine andere zu rsetzen.“
„... Kunst ist eine Bewegung des Geistes, und die Malerei hat Mittel, diese Bewegung zu fassen.“
„... Worin dieses Wesen der Kunst seinen Grund hat, wird uns immer ein Geheimnis bleiben.“

 

Biografie (1911-1990)

 

1911

Am 16. Juni in Solingen geboren

1930 - 1933

Verläßt Unterprima mit dem Abschluß der mittleren Reife. Studium in drei Wintersemestern an der Düsseldorfer Kunstakademie bei W. Heuser, H. Nauen und E. Mataré

1933

Verordneter Studienabbruch und Ausstellungverbot

1938

Erste Glasfenster in St. Engelbert, Solingen, im Krieg zerstört

1944

Zerstörung zahlreicher früher Bilder

1946

Erste Einzelausstellung im "Studio" des Städtischen Museums Wuppertal

1949

Übersiedlung nach Köln. Fünf Fenster für St. Markus in Wittlich

1950

Blevin-Davis-Preis für das Ölbild "Der neue Adam". Mitglied des neugegründeten Deutschen Künstlerbundes

1951

Kulturpreis der Stadt Wuppertal

1952

Stefan-Lochner-Medaille der Stadt Köln. WDR-Glaswand (54 qm), Köln

1953

Glaswand (240 qm) für St. Kilian, Schweinfurt. Gastdozent an der Landeskunstschule Hamburg

1953 - 1955

Berufung an die Frankfurter Städelschule

1954

Fresko-Altarwandbild (200 qm) für St. Alfons, Würzburg. Vier Treppenhausfenster (Apokalyptische Reiter) für das Alte Rathaus zu Wittlich

1955

Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Teilnahme an der documenta I

1955 - 1959

Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie

1956

Erster Preis für "Das beste Glasbild der Glashütte Mittinger"

1957

Glaswand (294 qm) der Bottroper Heilig-Kreuz-Kirche: In Deutschland die erste abstrakte Gestaltung im sakralen Raum

1958

Preis für Glasmalerei auf der Biennale in Salzburg

1959

Großes Bundesverdienstkreuz. Teilnahme an der documenta II

1959/1970

Fensterwand "Der gute Hirte2 für die Wittlicher Friedhofskapelle

1960 - 1976

Professur an der Kunstakademie in Karlsruhe

1963

Altarfresko (123 qm) für Maria-Regina-Martyrum, Berlin

1964 - 1967

Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste in München

1965

“Auferstandener Christus”,
Glasfenster für Friedhofskapelle, Trierer Landstraße

1967 - 1972

Präsident des Deutschen Künstlerbundes

1969

Sieben Fenster für die Wittlicher Krankenhauskapelle - inzwischen im Alten Rathaus installiert

1969 - 1973

Ölbild: "Farbige Notizen zur Biographie des Bundeskanzlers Brandt"

1971

Übersichtsausstellung im Rheinischen Landesmuseum Bonn

1974

Kulturpreis der Stadt Solingen Freskowandbild (160 qm) für das ZDF-Sendezentrum Mainz

1975

Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz für "Kunst am Bau"

1976

Vier Fenster für den Camposanto Teutonico

1979 - 1986

Neugestaltung von St. Gereon zu Köln ("... mein religiöses Testament und Krönung meiner Lebensarbeit....")

1981

Übersichtsausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg

1982

Slevogt-Medaille

1984

Romano-Guardini-Preis

1986

Ehrenmitglied der Kunstakademie Düsseldorf, Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen

1989

Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfallen

1990

Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.
Am 12. Juni stirbt Georg Meistermann.

 

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